In den kommenden Jahren wird das heute heterogene Zentrum von Effretikon neu gestaltet. Der Masterplan «Zentrumsentwicklung Bahnhof West» von Staufer & Hasler Architekten sieht eine koordinierte Entwicklung vor, um das Gebiet um den Bahnhof mit einem zusammenhängenden Stadtraum und grosszügigen Grünflächen aufzuwerten. Als erster Baustein entstand auf dem Baufeld B die Überbauung «BELLIS», die seit Frühling 2025 bezogen ist. Sie besteht aus dem Haus B entlang der Bahnhofstrasse und dem Haus G, das sich entlang der Gartenstrasse erstreckt. Ein gemeinsamer begrünter Sockel verbindet die beiden abgewinkelten Gebäudekörper und lässt dazwischen einen Garten entstehen, der als Begegnungs- und Rückzugsort dient. Insgesamt bietet die Überbauung 44 Eigentumswohnungen mit 3,5 bis 5,5 Zimmern sowie Gewerbe- und Büroräume als Eigentum und zur Miete.
Der architektonische Entwurf für «BELLIS» stammt aus der Feder von Staufer & Hasler Architekten, die auch für den Masterplan verantwortlich zeichnen. Dabei mussten sie die von der Stadt vorgegebenen Ziele gemäss dem SIA-Effizienzpfad Energie erfüllen: Die gesamte Primärenergie (Dauerleistung) darf maximal 2’000 Watt pro Person betragen, die Energieversorgung muss mit 100 Prozent erneuerbaren Energieträgern bewerkstelligt werden und bis 2050 müssen die Treibhausgasemissionen bei netto null liegen. Diese Anforderungen passten bestens zur Philosophie der Bereuter Totalunternehmung AG als Bauherrin, aber auch zur ewz-Vision, bis 2030 100 Immobilienprojekte zu 100 Prozent klimaneutral zu betreiben.
Das von ewz vorgeschlagene Energiekonzept umfasst die Wärmeversorgung für Raumheizung und Warmwasser, die Solarstromproduktion sowie die Elektromobilität und nutzt Synergien, die sich durch die Kombination der Systeme ergeben. Überzeugt hat Bauherr Marco Bereuter vor allem, dass ewz nicht nur eine Gesamtlösung für die Infrastruktur bietet, sondern auch die Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten, des Stromverbrauchs für die Elektromobilität und des Solarstroms via Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) übernimmt. «Das Angebot von ewz ist lösungsorientiert, transparent und fair», begründet der Geschäftsleiter der Bereuter Totalunternehmung AG seinen Entscheid.
Weil am Standort keine Bohrung für Erdwärmesonden möglich war, wird die Heizwärme für die Überbauung «BELLIS» mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe erzeugt. Die Wärmepumpe ist im Technikraum im Untergeschoss installiert, während sich der Rückkühler, der die Aussenluft als Energiequelle nutzt, auf dem Dach befindet. Dabei galt es, den Rückkühler neben der Photovoltaikanlage so diskret auf der Dachfläche zu installieren, dass er keine optische Beeinträchtigung darstellt.
Für die Aufbereitung der täglich benötigten rund 8’500 Liter Warmwasser kommen fünf Frischwasserstationen (FWS) zum Einsatz. Die Energie für die FWS wird über drei Energiespeicher bereitgestellt. Wird Warmwasser benötigt, wird dieses bedarfsgerecht über einen Plattenwärmetauscher aufbereitet. Somit ist kein zusätzlicher Warmwasserspeicher notwendig, was die Wärmeverluste im Vergleich zu einem herkömmlichen Wasserbereiter reduziert.
Eine aufgeständerte PV-Anlage mit einer Leistung von 126 Kilowattpeak versorgt die beiden Gebäude (eins sieben-, eins fünfgeschossig) mit CO₂-freiem Solarstrom. Die Planer*innen erwarten, dass die Anlage jährlich rund 124 Megawattstunden Strom produziert. Um einen möglichst hohen Anteil des günstigen Solarstroms vor Ort verbrauchen zu können, sind die Eigentümerschaften in einem ZEV zusammengeschlossen, der über ewz abgerechnet wird. Der Betrieb der angeschlossenen Verbraucher wie Wärmepumpe und Ladestationen für Elektromobilität wird optimal auf die Produktion der PV-Anlage abgestimmt. Der Eigenverbrauch liegt bei mehr als 60 Prozent, für den restlichen Bedarf beziehen die Nutzer*innen Strom aus dem Netz. Produziert die Anlage an sonnigen Tagen mehr Strom, als vor Ort verbraucht werden kann, wird dieser ins Netz des lokalen Energieversorgers eingespeist.
Die Dächer der Liegenschaften sind allerdings nicht nur mit Solarmodulen belegt. Um einen Beitrag zur Biodiversität zu leisten, sind sie üppig begrünt und wie sämtliche Grünflächen auf der Parzelle von Krebs und Herde Landschaftsarchitekten naturnah gestaltet. So entsteht inmitten des dicht bebauten Gebiets ein Lebensraum für Bienen und Mauersegler, die hier ihre Nistplätze haben.
Auch Elektroautos beziehen bei ausreichender Produktion Solarstrom, der Bereich Elektromobilität ist mit einem eigenen Elektrozähler Mitglied des ZEV. Beim Bau der Liegenschaften wurden sämtliche 97 Parkplätze mit Flachbandkabeln erschlossen, welche die elektrische Versorgung gewährleisten. Dieser Ausbaustandard entspricht gemäss dem SIA-Merkblatt 2060 der Kategorie «C1 – Power to Garage». Aktuell sind 13 Parkplätze bereits mit Wallboxen ausgerüstet. Melden Bewohner*innen Bedarf an, installiert ewz auf dem Parkplatz innert drei bis vier Wochen kostengünstig eine Wallbox. Die ewz-Ladelösung endet aber nicht mit der Installation der Komponenten: Auch die Abrechnung erhalten die Elektroautobesitzer*innen vom Energiedienstleister.
ewz hat die integrierte Energielösung für die Überbauung «BELLIS» geplant, realisiert und finanziert. Zum «Energy as a Service»-Paket gehört auch, dass der Energiedienstleister während der Vertragslaufdauer von 30 Jahren für einen reibungslosen Betrieb sorgt. Bereits kurz nach Inbetriebnahme der gebäudetechnischen Anlagen werden die Einstellungen überprüft und wenn nötig an die effektiven Bedürfnisse der Nutzer*innen angepasst. Die Anlagen verfügen über zahlreiche Datenpunkte und sind rund um die Uhr aus der Ferne überwacht. So können die Spezialist*innen von ewz bei Unregelmässigkeiten schnell reagieren und einen optimalen und effizienten Betrieb sicherstellen.
Sowohl für die Bauherrschaft als auch für ewz bestand eine grosse Herausforderung darin, die vielen Vorschriften und Vorgaben unter einen Hut zu bringen. Gemäss Marco Bereuter funktioniert die Gebäudetechnik bislang einwandfrei. Die nachhaltige Bauweise bringt laut dem Bauherrn nicht nur aus ökologischer Sicht einen Mehrwert: «Die Nutzer*innen schätzen das angenehme Raumklima und die einladenden Aussenräume. Für uns ergeben sich dadurch Vorteile bei der Vermarktung.»
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