Immer mehr Gebäude in der Schweiz sind an ein Fernwärme- bzw. ein Fernkältenetz angeschlossen. Damit ist ein besonders effizientes Versorgungssystem gemeint, bei dem die Heiz- bzw. Kühlenergie nicht dort produziert wird, wo sie verbraucht wird. Die thermische Energie, ob Wärme oder Kälte, wird über ein Rohrleitungssystem vom Ort der Erzeugung zu den angeschlossenen Gebäuden transportiert. Als Trägermedium kommt meist Wasser zum Einsatz.
Wird thermische Energie nur über kurze Distanzen transportiert, spricht man auch von Nahwärme bzw. Nahkälte. Die Funktionsweise ist allerdings dieselbe. Der Oberbegriff «thermisches Netz» fasst dieses Energieversorgungsprinzip zusammen und ist vorwiegend in der Fachwelt gebräuchlich.
Die Vorteile einer Fernheizung überzeugen: Das System ist platzsparend und komfortabel. Durch die Nutzung lokaler, klimafreundlicher Energiequellen werden gesetzliche Anforderungen erfüllt. Die Bündelung von Anlagen und Infrastrukturen führt zu Skaleneffekten, die die Gestehungskosten für die Energie senken.
Vor knapp 100 Jahren entstand an der Josefstrasse in Zürich die erste Fernwärmeanlage. Sie nutzte die Abwärme der Kehrichtverbrennungsanlage zur Beheizung verschiedener Immobilien in der Umgebung. In den folgenden Jahren kamen im ganzen Land zahlreiche weitere Projekte hinzu. Das Potenzial der Fernwärme ist damit aber noch keineswegs ausgeschöpft: Gemäss den Energieperspektiven 2050+ des Bundes liesse sich die Wärmeproduktion von heute rund 8 TWh auf bis zu 18 TWh pro Jahr steigern.
Über die Fernwärmenetze lassen sich verschiedene erneuerbare Energiequellen erschliessen, die sonst kaum wirtschaftlich genutzt werden könnten. Es ist auch möglich, verschiedene Energiequellen zur Versorgung eines Fernwärmenetzes zu kombinieren. So lassen sich die Versorgungssicherheit und die Effizienz erhöhen.
Die Fernwärme bietet die Chance, ganze Areale und Quartiere zu dekarbonisieren. Damit ist sie ein essenzieller Bestandteil der künftigen Schweizer Wärmeversorgung, die gemäss dem Schweizer Netto-Null-Ziel spätestens 2050 klimaneutral funktionieren soll.
Das Prinzip Fernwärme besteht darin, dass Energie zentral in einem Wärme- bzw. Energieverbund produziert und über Leitungen – meist in Form von Wasser – an die Verbraucher*innen geliefert wird. Oft wird in diesem Zusammenhang auch von einer Fernheizung gesprochen. Fernwärmenetze sind anhand ihrer Betriebstemperatur in Hochtemperatur- und Niedertemperaturnetze zu unterscheiden.
Wird Fernwärme mit Temperaturen zwischen 60 und 150 °C geliefert, spricht man von einem Hochtemperaturnetz. Diese Betriebstemperaturen ermöglichen es, ein Gebäude allein über einen Wärmetauscher zu beheizen und mit Warmwasser zu versorgen, weitere technische Anlagen sind nicht nötig. Als Energiequelle nutzen Hochtemperaturnetze häufig die Abwärme von Kehrichtverbrennungsanlagen oder die Wärme von Holzschnitzelfeuerungen. Es ist aber auch möglich, Umweltwärme auf einem tieferen Temperaturniveau mithilfe einer Wärmepumpe auf das erforderliche Temperaturniveau zu heben. Hochtemperaturnetze können ihre Stärken vor allem dort ausspielen, wo die Bezüger Heizwärme mit hohen Vorlauftemperaturen, Warmwasser oder Prozesswärme benötigen. In solchen Fällen ist es effizienter und kostengünstiger, die erforderlichen Temperaturen zentral statt separat bei jedem Gebäude zu erzeugen.
Fernwärmenetze mit einer Betriebstemperatur unter 60 °C basieren auf einer dezentralen Versorgungsstruktur. Dabei wird die thermische Energie lokal beim Bezüger auf das erforderliche Temperaturniveau gehoben, weil die Temperaturen für eine direkte Versorgung zu niedrig sind. Den Temperaturhub übernimmt meist eine Wärmepumpe. Zwar sind Niedertemperaturnetze technisch etwas anspruchsvoller, sie bieten aber mehr Flexibilität. Sie sind dort sinnvoll, wo die Bezüger unterschiedliche Vorlauftemperaturen benötigen, also etwa in Gegenden mit Neu- und Bestandsbauten. Ein Vorteil ist zudem, dass Bezüger mit internen Kühlprozessen – beispielsweise ein Industrie- oder Gewerbebetrieb – auch Abwärme ins Netz einspeisen können, welche sonst ungenutzt verpuffen würde.
Liegt bei einem Niedertemperaturnetz die Betriebstemperatur unter 20 °C, lassen sich angeschlossene Gebäude direkt kühlen. Bei dieser als «Freecooling» bezeichneten Methode wird kühles Wasser durch die Heizrohre im Gebäude gepumpt, was die Räume um 2 bis 3 °C abzukühlen vermag. Als Energiequelle für Niedertemperaturnetze eignet sich vor allem Umweltwärme, beispielsweise aus Grundwasser, Seen oder Flüssen.
Sind auf einem Areal oder einer Überbauung verschiedene Nutzungen wie Wohnen, Gewerbe und Dienstleistungen vorhanden, muss meist nicht nur geheizt, sondern auch gekühlt werden. Fernwärme- und Fernkältenetze lassen sich gut in integrierte Energielösungen einbinden. Übernimmt ein Niedertemperaturnetz diese Aufgabe, ergeben sich interessante Synergien. So kann beispielsweise mit der Abwärme von Gebäuden mit Kühlbedarf andernorts geheizt werden.
Attraktiv ist die Kombination mit Photovoltaik (PV): Können Wärmepumpen mit eigenem Solarstrom betrieben werden, senkt das die Betriebskosten und erhöht gleichzeitig den Eigenverbrauch der PV-Anlage. Damit eine solche integrierte Energielösung effizient funktioniert, muss sie von Beginn an ganzheitlich geplant werden.
Diesen Ansatz hat ewz bereits in verschiedenen Projekten erfolgreich umgesetzt. Ein Beispiel dafür ist das Energiekonzept der Swiss Life Arena. Die vor Ort hergestellte Klimakälte für das Stadion der ZSC Lions kann weiteren Bezügern in der unmittelbaren Nachbarschaft zur Verfügung gestellt werden. Die dabei entstehende Abwärme dient als Energiequelle für das Fernwärmenetz Altstetten. Eine grosse Photovoltaikanlage auf dem Stadiondach sorgt für die erneuerbare Stromversorgung der technischen Anlagen. Dieses umfassende Konzept ermöglicht eine umweltschonende, sichere und wirtschaftliche Energieversorgung des Areals und seiner Umgebung.
Für den wirtschaftlichen Betrieb eines Fernwärmenetzes müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Generell gilt: Je dichter besiedelt, je höher der Wärmebedarf pro Flächeneinheit und je geringer die Leitungslänge, desto wirtschaftlicher lässt sich ein Gebiet mit Fernwärme erschliessen. Diese Kriterien treffen vor allem auf den städtischen Raum zu. Gemäss einer Studie von Empa, ETHZ und HSLU ist die Versorgung mit einem Fernwärmenetz in 50 bis 80% der Stadtquartiere energetisch und ökonomisch sinnvoll, in dicht besiedelten Agglomerationsgemeinden in bis zu 50% der Quartiere.
Das bedeutet aber nicht, dass andere Standorte nicht ebenfalls geeignet sein können. Relevante Aspekte sind nämlich auch die Verfügbarkeit einer kostengünstigen erneuerbaren Energiequelle sowie die baulichen Bedingungen. Gerade in Städten ist der Aufwand für die Realisierung der Infrastruktur oft hoch, weil wenig Platz vorhanden ist und schon viele Werkleitungen im Untergrund verbaut sind. In dieser Hinsicht haben ländliche Gemeinden häufig einen Vorteil: Fernwärmenetze lassen sich meist schneller und mit geringeren Kosten realisieren. Ein Beispiel hierfür ist die Gemeinde Ilanz, mit der ewz 2014 ein Holzheizkraftwerk und den Fernwärmeverbund Ilanz in Betrieb genommen hat.
Um die Wirtschaftlichkeit eines Fernwärmenetzes zu beurteilen, ist stets eine Gesamtbetrachtung nötig. Dazu gehört auch die Abwägung der Risiken wie steigende Energiepreise, reduzierter Wärmebedarf oder steigende Zinsen für allfälliges Fremdkapital. Zu prüfen ist überdies, ob die Bedingungen für Fördergelder erfüllt sind, die in vielen Kantonen für den Bau und die Erweiterung von Fernwärmenetzen vergeben werden. Für die Wirtschaftlichkeit im Betrieb gilt es, ein passendes Tarifmodell zu entwickeln. Häufig kommen dabei dreistufige Modelle zur Anwendung, die aus Anschlusskosten, einem Jahresgrundbeitrag und den Energiekosten bestehen.